Es gibt keinen besseren Weg, Sie in meine Philosophie einzuführen, als über einen Witz, der mir besonders am Herzen liegt.
Sherlock Holmes und Dr. Watson machen einen Campingausflug. Mitten in der Nacht stößt Holmes seinen Freund Watson wach.
Holmes: „Watson, schauen Sie in den Himmel und sagen Sie mir, was Sie sehen.“
Watson: „Ich sehe Milliarden von Sternen, mein lieber Holmes.“
Holmes: „Und was schließen Sie aus diesen Sternen?“
Watson: „Nun, einiges“, sagt er und zündet sich seine Pfeife an: „Astronomisch betrachtet sehe ich, dass es Milliarden von Galaxien und Milliarden von Sternen und Planeten gibt. Horologisch folgere ich, dass es ungefähr viertel nach drei ist. Meteorologisch erwarte ich, dass das Wetter morgen schön und klar sein wird. Theologisch erkenne ich, dass Gott allmächtig ist und der Mensch, seine Schöpfung, klein und unbedeutend. Und was folgern Sie, Holmes?“
Holmes: „Watson, Sie Dummkopf. Jemand hat unser Zelt gestohlen!“
Ja, Wissen steht oft im Wege der Erkenntnis. Willkommen zu meiner Philosophie und viel Vergnügen!
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Kriegs-Referendum
Inmitten unserer Zeit, in der neue Generationen von Menschen Politik machen und neue Kriege wüten, erscheinen solche mühsam aufgebauten Verfassungsrepubliken mit demokratischen Wahlen, wie ein zerbrechliches Gefüge. Die Nachrichten sind voll von Konflikten, die Politiker mit kalter Berechnung eskalieren, während viele Völker in Angst erstarren. Seit langer Zeit denke ich nach: was könnte noch getan werden um unsere Verfassungsrepubliken zu stärken? Heute fasse ich eine neue Idee, das Kriegs-Referendum.
Dieses wäre eine Maßnahme, die nicht nur die Demokratie als solche stärken, sondern sie auch vor der Selbstzerstörung bewahren würde. Die Wahrheit, klar wie der Tag, ist diese: Nicht die Völker wollen Kriege, sondern die Eliten führen sie – im Namen der Völker, doch ohne ihre Stimme. Ein Kriegs-Referendum würde dies ändern, indem es jede Regierung einer Verfassungsrepublik zwingen würde, vor jeder kriegerischen Entscheidung das Volk zu befragen, ob es den Weg des Blutes und der Zerstörung möchte. Bereits Kant, in seinem Traktat zum ewigen Frieden, erkannte, dass Kriege nur dann erklärt werden sollten, wenn die Bürger, die ihre Last tragen, zustimmen. Warum? Weil das Volk, die Konsequenzen spürt – die gefallenen Söhne und Töchter, die wirtschaftliche Not, die verlorenen Freiheiten. Ein Kriegs-Referendum würde dies institutionalisiert umsetzen: Vor jedem militärischen Eingriff müsste die Regierung ein Referendum abhalten. Die Frage wäre schlicht: „Wollen Sie diesen Krieg gegen ... führen?“ Nur bei einer Mehrheit von 75% Prozent, um Manipulationen auszuschließen, dürfte der Staat handeln. Dieser Mechanismus ist kein pazifistischer Traum, sondern eine dialektische Notwendigkeit: Die Demokratie droht ohne solche Schutzmechanismen ansonsten zur Farce zu werden.
Das Kriegs-Referendum löst noch ein weiteres wichtiges Problem - die Entfremdung, die unsere Zeit prägt. Marx sprach davon, wie der Mensch im industriellen Zeitalter von seiner eigenen Arbeit entfremdet wird; ich sehe in heutigen Verfassungsrepubliken eine tiefere politische Entfremdung im Gange, die des Volkes von seiner Souveränität. Die Menschen wählen Repräsentanten, doch entscheiden diese über Krieg und Frieden, ohne die Menschen zu fragen. Denken wir an 2003, als Millionen gegen den Irak-Krieg protestierten, doch Bush und Blair unbeirrt handelten. Ein Kriegs-Referendum würde diese Kluft überbrücken. Es würde die Regierungen zwingen Transparenz zu schaffen, Argumente vorzulegen, das Volk zu überzeugen – das wäre ein Akt der Diskursethik. Es würde die Republik stärken, indem es sie vor imperialen Abenteuern bewahrt, die Menschenleben kosten, Ressourcen verschlingen und Freiheiten untergraben. Rousseaus Ansätze leben schließlich auch in dieser Idee: der allgemeine Wille des Volkes, nicht der von Eliten, ist der wahre Souverän. Und bei Fragen des Krieges sollten gewählte Repräsentanten nochmal den Willen des Volkes befragen müssen bzw. hätten nicht das Recht einfach selbst über diesen zu entscheiden. Die Repräsentanten sind schließlich auch geschützter, sowohl ökonomisch als auch im Sinne ihres Lebens, denn sie beschreiten ihre Existenz durch Versteuerung und gehen nicht selbst in die Kriege. Jemand könnte einwenden, Referenden seien manipulierbar oder zu langsam in Krisenzeiten. Doch ich widerspreche: in Zeiten der Digitalisierung geht das sehr zügig und jede Manipulation wird durch Bildungskampagnen und offene Debatten minimiert. In der Schweiz, wo Referenden Alltag sind, funktioniert dies. In größeren Verfassungsrepubliken werden Referenda nicht gerne umgesetzt, ich halte sie auch selbst bei den meisten Entscheidungen für nicht nötig, denn Menschen in der Politik sollte man vertrauen nachdem man sie gewählt hat, aber ich ziehe die rote Linie bei Fragen des Krieges. Die Einführung von Kriegs-Referenda würde außerdem das Volk aus seiner Passivität reißen, es zu mündigen Bürgern machen. Dies wäre ein Akt der Selbstbestimmung, der die Republik retten kann, indem es sie von innen stärkt. Tocqueville sah die Gefahr der Tyrannei der Mehrheit, doch hier wird die Mehrheit zum Schutz vor der Tyrannei der Wenigen. Und wenn das Volk einen Krieg will, dann ist es eben so, wir Menschen sind schließlich keine Schmetterlinge und in einer Demokratie zählt nun Mal der Wille des Volkes. Ich bin mir jedoch ziemlich sicher, das Umgekehrte wird mit der Zeit dabei rauskommen. Für meine Kinder wünsche ich mir schließlich, wie sicher die meisten Eltern, endlich eine Menschenwelt ohne Kriege. Dieses Kriegs-Referendum ist mein Plädoyer für eine lebendige demokratische Kultur in modernen Verfassungsrepubliken. Machen wir uns auch nochmal Gedanken über die Alternative? Wenn die Völker nicht darüber entscheiden ob ein Krieg geführt wird, wer entscheidet es dann?
Die vergessene Königin
Wenn ich auf unsere Zeit heute blicke und wohin wir uns alle als Menschen bewegen und wenn ich in Deutschland wandere, bemerke ich, dass die Kirchen immer leerer werden und die Orgel, einmal die Königin der Instrumente, in Vergessenheit gerät. Ich bin als orthodoxer Christ in Serbien aufgewachsen und seit ich in Deutschland lebe und später viele andere Länder des sogenannten globalen Westens besucht habe, wundere ich mich immer wieder über die Kirchenorgel, dieses Instrument, das in orthodoxen Kirchen nicht existiert.
In der orthodoxen Welt singen Chöre, und Instrumente sind verboten. Der Klang der Stille und wunderschöner Stimmen erfüllt seit Jahrtausenden die orthodoxen Kirchen, und in allen orthodoxen Klöstern singen die Mönche nachts in ihren Kirchen, während die meisten anderen Menschen schlafen. Wie alle orthodoxen Christen und Freunde der orthodoxen Kirche wissen: Solange diese Welt besteht, werden Mönche in den Klöstern nachts singen und beten und ihre Kirchen mit betörenden, tiefgeistlichen Klängen erfüllen.
In Deutschland entdecke ich nicht wenige Menschen, die aus verschiedenen Gründen, in ihren Gemeinden ihre Orgeln pflegen, restaurieren, auch neue bauen lassen. Diesen Menschen in den Gemeinden sowie den wenigen Orgelbauern aus unserer heutigen Zeit und den Organistinnen und Organisten widme ich diesen Text, schreibe ihn aber nicht für sie, sondern für alle anderen, welche weder die Orgel noch die Orgelmusik näher kennen und verstehen.
Es gab eine Zeit, da war die Orgel das gewaltigste Ding, das Menschen je gebaut hatten. Kein Schiff, kein Dom, keine Kanone kam ihr an Komplexität und an schieren Ausmaßen gleich. Tausende Pfeifen, Dutzende Register, mehrere Manuale, ein Pedal, das die Füße zum Tanzen zwang, und alles mechanisch, durch Luft in Bewegung gesetzt. Wenn sie ansprach, bebte der Boden. Wenn sie schwieg, war die Stille danach größer als vorher.
In dieser Zeit, die eine Zeit ohne Lautsprecher, ohne Schallplatte, ohne Kopfhörer, ohne Telefon, ohne Video, ohne Internet und weiteres mehr war, in dieser Zeit war die Orgel das einzige Instrument, das einen Raum wirklich ausfüllen konnte, ja überfüllen konnte. Sie war das erste Surround-System der Menschheit, und sie stand fast immer in einer Kirche und war wunderschön gestaltet, verziert und oft vergoldet. Das war kein Zufall. Sie war gebaut worden, um etwas hörbar und sichtbar zu machen, das größer ist als der Mensch.
Der größte Diener dieser Königin war ein Thüringer mit Perücke, der fast sein ganzes Leben lang Organist blieb.
Johann Sebastian Bach hat nie ein Opernhaus regiert, nie vor Königen gekatzbuckelt, nie eine Sinfonie für den Konzertsaal geschrieben. Er prüfte Orgeln, spielte Orgeln, schrieb für Orgeln. Ein Viertel seines gesamten Werks ist Orgelmusik. Er improvisierte stundenlang, bis die Gemeinde erschöpft war und die Kerzen heruntergebrannt. Er ließ die Füße über das Pedal fliegen, als wären es Finger, und die Zuhörer berichteten, es habe geklungen, als spiele ein ganzes Orchester.
Dann starb er 1750, fast blind, und wurde still begraben. Siebzig Jahre lang wusste kaum jemand, was da eigentlich verloren gegangen war. Erst Mendelssohn grub ihn wieder aus, und Europa erschrak: Wie hatten wir das überhören können Heute ist es noch seltsamer. Wir können jede Note Bachs in Sekundenbruchteilen aus dem Internet ziehen, in Dolby Atmos, aus winzigen Lautsprechern, die in die Hosentasche passen. Und genau deshalb hören wir sie fast nie mehr richtig.
Denn Orgelmusik lässt sich nicht streamen.
Man kann sie aufnehmen, ja. Aber man kann sie nicht erleben.
Man muss mit ihr im Raum sitzen, am besten in einer der alten Bankreihen, die Orgel im Rücken (denn sie steht ja meist oben auf der Empore), die Augen zumachen und einfach nur zuhören. Dann geschieht etwas Seltsames: der Klang kommt nicht von vorne wie bei einem Orchester, sondern von überall und von nirgendwo. Er umfängt einen, dringt durch den Körper, lässt die Rippen und Schädelknochen mitschwingen. Man spürt die tiefen Register im Magen, die hohen Mixturen wie Lichtstrahlen im Hinterkopf. Und plötzlich ist man nicht mehr Zuhörer, sondern Teil des Instruments selbst.
Viele haben für die Orgel geschrieben, vor Bach und nach ihm: Frescobaldi, Buxtehude, Pachelbel, Böhm, Walther, Bruhns, Lübeck, Franck, Reger, Messiaen … gute, große, manchmal geniale Musik.
Aber Bach's Werk gleicht der größten musikalischen Wende in der Musikgeschichte.
Wir teilen die Musikgeschichte nicht in vor und nach Beethoven oder vor und nach Mozart. Wir teilen sie in vor und nach Bach.
So wie wir die Menschheitsgeschichte in vor und nach Jesus Christus teilen.
Das ist keine Übertreibung; das ist schlicht die Wahrheit, die sich jedem erschließt, der einmal eine Stunde lang mit geschlossenen Augen unter einer richtig gespielten Bach-Fuge gesessen hat.
Dann versteht man: Dies ist keine Unterhaltungsmusik.
Dies ist Forschung mit Tönen.
Dies ist Gebet in Mathematik.
Dies ist Philosophie in Klang.
Dies ist der Versuch eines einzelnen Menschen, das Unsagbare sagbar zu machen, das Unendliche in endliche Zeit zu fassen, das Göttliche zu berühren. Und das Schönste: zum Zuhören braucht man keine Vorkenntnisse.
Man braucht nur da zu sein, die Augen zuzumachen und sich fallen zu lassen in diesen Klang, der älter ist als das elektrische Licht und doch alles viel mehr zum Leuchten bringen kann.
Verstehen Sie mich? Ich wünsche mir keine Rückkehr ins 18. Jahrhundert. Nein, ich wünsche mir lediglich die Fortsetzung des Staunens.
Dass mehr von uns Menschen abends in die Kirchen gehen, uns in eine Bank setzen, die Augen zumachen und zulassen, dass ein einziger Mensch an einer einzigen alten Maschine aus Holz, Zinn und Luft uns zeigt, wie ein Herzschlag klingt, wie tief Gedanken sein können, wie unendlich eine Sekunde zwischen zwei Akkorden schweigen kann.
Denn wenn wir heute etwas brauchen, dann nicht noch mehr Bildschirme, sondern wieder ein Instrument, das größer ist als wir selbst. Dafür brauchen wir aber Menschen, die sich der Orgel wieder widmen und uns inspirieren uns zu beteiligen.
Wie Bach es tat.
Jeden Sonntag.
Sein Leben lang.
Die Orgeln warten. Die Pfeifen stehen, die Luft ist noch da.
Mehr Konzerte sollen stattfinden.
Mehr Menschen wollen sie besuchen.
Die Augen zumachen.
Die Seelen öffnen und staunen.
Europa oder die Union?
Von den grünen Klippen Irlands bis zum Ural in Russland, von der Mitternachtssonne bis zum warmen Stein Kretas trägt dieser Kontinent seit dreitausend Jahren denselben Namen: Europa. Sie war eine phönizische Königstochter; Zeus verwandelte sich in einen weißen Stier, gewann ihr Vertrauen durch vorgetäuschte Sanftheit, entführte gewaltsam sie übers Meer, und sie gebar ihm drei Söhne – so erzählt der alte griechische Mythos. Vielleicht sagt er uns bereits alles: Europa war nie ein Ort der Reinheit, sondern immer ein Raum der Begegnung, der Vermischung, der Täuschung, der Gewalt und zugleich der Versöhnung, der Liebe und des Schöpfens.
Heute sagen wir oft „Europa“ und meinen die Europäische Union. Das ist nicht gut.
Die Union bleibt das größte Friedenswerk, das dieser Kontinent je hervorgebracht hat. Aus der Asche von 1945 und der Angst vor neuem Grauen geboren, setzte sie sechs ehemalige Todfeinde an einen Tisch und schmiedete daraus eine Gemeinschaft, die heute 27 Länder umfasst, die sich auf 41 Prozent der Fläche des Europäischen Kontinents erstrecken. Wer das leugnet, leugnet die schlichte Tatsache, dass seit 79 Jahren kein Soldat eines dieser 27 Länder gegen einen anderen marschiert ist. Gemessen an Europas blutgetränkter Geschichte ist das kaum weniger als ein Wunder.
Und dennoch: immer wenn das Wort „Europa“ in diesem engeren Sinne fällt, verschwinden leise 59 Prozent des Kontinents – Russland mit seinen 110 Millionen Bürgern westlich des Urals, Norwegen, die Schweiz, das Vereinigte Königreich, Serbien, Bosnien, Nordmazedonien, die Ukraine und andere; Menschen, die denselben Boden betreten, dieselbe Geschichte atmen, dieselben Lieder in anderen Sprachen singen und plötzlich außerhalb des Zauberkreises stehen. Ihnen scheint es nicht erlaubt zu sein, Europäer zu sein.
Warum eigentlich?
Vielleicht aus Stolz auf das Erreichte.
Vielleicht aus einer leisen Angst, das Kostbare könnte zerbrechen, wenn man den Namen zu freigiebig verteilt – und Angst ist menschlich.
Vielleicht aus bloßer sprachlicher Gewohnheit, übernommen aus Jahrhunderten, in denen der Westen die Feder führte und der Osten stillschweigend als „anders“ galt.
Und vielleicht schwingt noch ein Echo jener alten Hierarchie mit, die Slawen, Russen und Balkanvölker lange als „nicht ganz europäisch“ ansah – eine Haltung, die im Zweiten Weltkrieg in der Lehre von der slawischen „Untermenschlichkeit“ und der Eroberung des "Lebensraums im Osten" gipfelte und 35 Millionen Slawen das Leben kostete. Die meisten von uns in der Union glauben, solche Gedanken überwunden zu haben; doch in manchen Reflexen scheinen sie noch nachzuklingen.
Ich weiß es nicht.
Ich weiß nur: Niemand muss klein gemacht werden, damit ein anderer sich größer fühlt.
Die Russen sind Europäer.
Die Serben sind Europäer.
Die Briten (so sehr manche von ihnen sich auch als Inselvolk sträuben) sind es geblieben.
Die Norweger sind Europäer, und alle anderen, die diesen Kontinent bewohnen, ebenfalls.
Die Bürger der Union sind es selbstverständlich auch – nur mit einem zusätzlichen, frei gewählten Band, das sie verbindet. Wir sollten uns jedoch der Unterscheidung bewusst bleiben zwischen einem Projekt, das wir mit Recht „eine Union in Europa“ nennen dürfen, und der Vorstellung, die Union sei Europa.
Es wäre, glaube ich, ein Zeichen von Reife, öfter „die Union“ zu sagen, wenn wir die Union meinen, und „Europa“ nur dann, wenn wir wirklich alle Menschen auf dem Europäischen Kontinent meinen.
Das nähme niemandem etwas. Es schenkte allen etwas: die stille Gewissheit, dass dieser alte, geflickte Kontinent noch Platz hat für jede Seele, die auf ihm lebt.
Ich schreibe dies nicht, um zu tadeln, sondern aus Liebe zu diesem Europa – dem ganzen, unfertigen, widersprüchlichen Europa, dessen grauenhaft blutige Vergangenheit ich nur zu gut kenne und dessen Fähigkeit zu neuem Blutvergießen noch bei weitem nicht erloschen ist.
Wenn wir den Titel „Europäer“ nur den Menschen innerhalb der Union zugestehen, schließen wir alle anderen auf dem Kontinent automatisch aus. Was sind sie dann? Künftige Marsianer vielleicht, die sich Elon Musk wünscht und die zunehmend mehr Menschen werden wollen, die lieber fliehen als sich zu konfrontieren und die immer noch nicht gelernt haben, dass Flucht nicht hilft.
Besonders schmerzlich finde ich, dass die 110 Millionen Russen auf europäischem Boden – Moskau, Sankt Petersburg und unzählige andere unverkennbar europäische Städte – sich entweder nicht als Europäer fühlen oder dazu nicht ermutigt werden. Russland ist freilich größer als Europa; einst erstreckte sich die russische Zivilisation über drei Kontinente, bevor Alaska an die Vereinigten Staaten verkauft wurde. Die 1000 jährige russische Geschichte basiert auf eigenständigen Entdeckungen nicht nur anderer Kontinente, sondern auch des Weltalls. Die Russen, deren Staatsgebiet 40 Prozent des europäischen Kontinents ausmacht, sollten zumindest in zweiter Instanz europäisch heißen dürfen und sich auch selbst so identifizieren wollen, so wie es viele Bürger der Unionsstaaten und Bürger anderer Europäischen Staaten tun. Kaum jemand in der Union sieht „Europäer“ als seine primäre Identität; wer es dennoch tut, leidet womöglich noch am alten Narzissmus und Eurozentrismus – eine Haltung, die gerade dann gefährlich wird, wenn sie sich als friedfertig und schön tarnt, wie dies einmal Zeus als weißer Stier tat.
Ist die Wahrheit nicht schöner und erträglicher als Überhöhung, Narzissmus, neue Spaltungen und alles, was daraus folgen mag?
Die Wahrheit lautet: Jeder, der auf dem europäischen Kontinent lebt, ist Europäer, und jede hier verwurzelte Kultur ist europäisch. Die Menschheit, so scheint mir, ist heute reif genug, dies anzuerkennen. Eines Tages – dessen bin ich gewiss – werden alle Europäer und alle Menschen auf diesem blauen Planeten, der sich unaufhörlich um sich selbst und um seine Sonne dreht, sich einfach Menschen nennen und in Köpfen aller anderen Menschen dies auch sein dürfen. Es wird dies noch Zeit in Anspruch nehmen. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut, und Rom fiel auch nicht an einem Tag. Vielleicht fiel Rom gerade deshalb, weil die Römer nicht früh genug lernten inklusiv zu sein.
Ach, all diese Menschen, die dieses Spiel der Inklusion und Exklusion spielen, sie sind so banal und langweilig...
Gott sei Dank hat uns Serben der heilige Sava gelehrt, Menschenliebende zu sein, Bischof Nikolaj, dass wir uns nicht als zwischen Ost und West verstehen sollen, sondern über beiden, und Patriarch Pavle wie so viele vor ihm, dass wir vor allem Menschen sein sollen. Dank ihnen kann ich heute zugleich Serbe und Deutscher und Europäer und vor allem Mensch sein, im vollen Bewusstsein dessen, welches Böse und welche Fähigkeit zum Blutvergießen in jedem von uns wohnt. Denn was ist der Mensch, wenn nicht das schlimmste Monster, das je auf diesem Planeten gelebt hat, und zugleich ein Monster mit Herz, sogar mit dem größten Herzen, das je eine Kreatur besaß?
Der Regenwurm
An einem leicht regnerischen Tag in Stuttgart, lief der kleine 5-jährige Theodor in seiner blauen Jacke und mit seiner blauen Mütze auf dem Kopf mit seinem Vater von der Arztpraxis zur Bahn.
Er beschwerte sich viel über Kopfschmerzen und so machte sein Vater Termine bei verschiedenen Fachärzten um Theodor untersuchen zu lassen. Die Resultate waren gut und an diesem regnerischen Tag, sagte auch die letzte Fachärztin, alles sei in Ordnung mit Theodor. In der Zwischenzeit, denn auf Arzttermine wartet man in der Regel eine Weile, hatten auch seine Kopfschmerzen nachgelassen und so hatten auch Vater und Sohn eine gute Laune als sie auf dem nassen Fußweg Hand in Hand miteinander liefen. Sie beschlossen den Tag gemeinsam zu verbringen, denn nach 09.30 Uhr durfte Theodor nicht mehr in den Kindergarten kommen. Der Vater konnte zum Glück seine beruflichen Termine verschieben und machte sich nach der Änderung seines Tagesablauf mit seinem Sohn in Richtung Kinderbaustelle im Stadtpalais.
Theodors Vater wurde in Serbien geboren, seine Mutter in Russland, beide lebten in Stuttgart, der Vater war Philosoph, die Mutter klassische Musikerin. Sie erzogen Theodor und seine drei Geschwister, denn sie hatten vier Kinder, mit viel Liebe und widmeten Ihnen den größten Teil ihrer Lebenszeit. Plötzlich blieb Theodor auf dem mit vielen Wasserpfützen bedeckten Weg stehen, ließ die Hand seines Vaters los und bückte sich auf den nassen Boden. Er hob einen großen Regenwurm auf, der auf der Mitte des Weges lag, und brachte ihn zum Gebüsch am Rande des Weges. Als er das getan hat, rannte er zu seinem Vater und nahm ihn wieder in die Hand. Vater: "Was hast du denn da gerade gemacht?" fragte sein Vater sanft und verwundert, denn seine Augen wurden schon langsam schlecht und er konnte nicht genau sehen, was Theodor da auf dem Boden aufhob.
Theodor: "Ich habe, ich habe..." sprach Theodor mit leichtem Stottern vor Aufregung auf serbisch, denn er sprach mit seinem Vater nur auf serbisch. Vater und Mutter beschlossen mit den Kindern nur die Muttersprachen zu sprechen, denn Sprachen vermitteln die Gesamtheit einer Kultur und Kulturen sind der größte Schatz, den wir Menschen bisher auf diesem Planeten geschafft haben zu produzieren.
Vater: "Ganz ruhig, mein Sohn" sagte ihm der Vater und bückte sich um es Theodor leichter zu machen mit ihm zu sprechen.
Theodor: "Ich habe einen Regenwurm von der Mitte des Weges aufgehoben und ihn in das Gebüsch gebracht."
Vater: "Und warum hast Du denn das getan?"
Theodor: "Ich habe es getan, weil der Regenwurm es ansonsten nicht geschafft hätte zum Rand zu kommen und gestorben wäre."
Vater: "Bist Du Dir da ganz sicher?"
Theodor: "Ja, er war schwach, ich habe es gesehen, so habe ich ihm geholfen." Theodors Vater dachte nach. So viele Menschen gibt es auf unserem Planeten, die anderen Menschen nicht nur nicht helfen wollen, sondern sie zu fangen, zu manipulieren, auszubeuten, ja auch zu ermorden suchen und dennoch existiert auch Liebe in uns Menschen, eine Liebe, die, mindestens wenn wir Kinder sind, so groß ist, dass wir auch Regenwürmern helfen. Er überlegte ob er Theodor beibringen soll, dass Regenwürmer deshalb Regenwürmer heißen, weil sie beim Regen aus ihren Löchern rauskommen, aber erinnerte sich dann, dass Theodor dies sicherlich schon weiß. Er überlegte auch, wie dieser Instinkt, dem Regenwurm zu helfen und ihn zu retten, bei Theodor entstanden ist. Er erinnerte sich, dass sie im Garten immer wieder arbeiten und mit großer Vorsicht Regenwürmer in den Kompost bringen, denn sie sind wertvoll und verarbeiten den Kompost. Dies wird vielleicht ein wenig auch damit zu tun haben, dass Theodor ein großes Interesse an Tieren, Insekten und allen Lebewesen hat und bereits viele Male in Zoos war, in Naturkundemuseen sowie bereits alle Folgen von "Anna und die wilden Tiere", einer wunderbaren Kindersendung, die er manchmal schauen darf, angeschaut und eingeatmet hat. Er wusste bereits sehr viel über Tiere, in nicht wenigen Instanzen auch mehr als sein Vater - z. B. das Affen im Dschungel oft Eier von Krokodilen stehlen und essen. In jedem Fall beschloss sein Vater, dass dies etwas schönes war, was Theodor gerade getan hat, etwas dass Hoffnung gibt in unserer Welt. Vielleicht sind es Akte wie diese, die vielen Menschen aus vergangenen Generationen bisher Hoffnung gegeben haben und sie inspirierten an die nächsten Generationen zu glauben. Immer wenn Menschen untereinander gewalttätig werden und sich gegenüber der Natur unnötig zerstörerisch verhalten, verändert sich unsere Welt, aber sie verändert sich auch wenn wir gute Taten und Liebesakte in ihr umsetzen. Wir haben aber kollektiv noch nicht gelernt, dass wir alle eine Menschheit bilden und alleine im Universum auf diesem, unserem Planeten sind. Das fehlt uns, daran wollen wir arbeiten. Das zerstörerische in uns erkennen und kolonisieren, können wir dann im nächsten Schritt. Wenn wir jetzt andere Planeten kolonisieren, dann exportieren wir auf diese auch unsere Bosheit und das wird nicht helfen, dann gibt es Kriege auf verschiedenen Planeten und vielleicht auch zwischen diesen, und dies obwohl die Entfernung riesig ist. Aber was ist schon diese Entfernung für unseren Hass und unsere Bosheit? So fasste der Vater, nach seiner kleinen Gedankenreise, einen Entschluss. Er wusste was er Theodor sagen wird.
Vater: "Na dann, mein Sohn, hast Du heute eine gute Tat vollbracht."
Theodor: "Ja? Was ist das?"
Vater: "Eine gute Tat ist, wenn Du jemandem selbstlos hilfst. Du hast Dir Zeit genommen und hat den Regenwurm selbstlos vor dem Tod gerettet. Es hätte ja auch jemand auf ihn treten können."
Theodor: "Ja, das stimmt."
Vater: "Es ist schön, wenn wir Menschen den Regenwürmern, auch den Tieren und anderen Lebewesen helfen. Wir haben diese Liebe in uns, wir können das. Wir können vor allem auch unseren Mitmenschen manchmal helfen, weißt Du Menschen brauchen oft auch Hilfe."
So endete das Gespräch vom Vater und Sohn an diesem leicht regnerischen Tag im Jahr 2025 in Stuttgart. Es war dies ein Gespräch von sehr vielen, die nie aufgeschrieben werden, außer in der Seele des neuen Menschen, der Theodor heißt und eines Tages, so Gott dieser Realität das will, auch seinen Platz unter seinen Mitmenschen auf diesem blauen Planeten einnehmen wird, der sich unaufhörlich dreht.
Täuschung
Hunde bellen,
Fische schwimmen,
Menschen täuschen,
Katzen chillen.
Warum schwimmen, bellen,
täuschen und chillen,
die Fische, die Hunde,
die Menschen und Katzen?
Gibt es hierfür gute Gründe?
Höre doch und guck,
sie machen es
aus Angst, aus Spaß,
aus Ambition, aus Wut,
aus Not, aus Mut,
aus Langeweile,
auch wegen Druck,
Gründe gibt's genug.
Hast du kein Problem
mit Hunden,
mit Fischen und auch
mit Katzen?
Die Menschen aber,
die bringen dich
zum platzen?
Dann verrate ich dir
ein Geheimnis nun,
dann lehre ich dich,
was ist zu tun.
Weiß, jede Täuschung,
endet in Ent-täuschung,
wessen wird sie aber sein,
das entscheidest Du,
und Du allein.
Lass die Menschen täuschen,
lass die Fische schwimmen,
lass die Hunde bellen,
und die Katzen chillen.
Höre nur und guck,
Gründe gibt's genug.
Die Mutter - sie ist der heilige Geist
Dieses Gedicht habe ich nur auf serbisch geschrieben.
