Der Regenwurm
An einem leicht regnerischen Tag in Stuttgart, lief der kleine 5-jährige Theodor in seiner blauen Jacke und mit seiner blauen Mütze auf dem Kopf mit seinem Vater von der Arztpraxis zur Bahn.
Er beschwerte sich viel über Kopfschmerzen und so machte sein Vater Termine bei verschiedenen Fachärzten um Theodor untersuchen zu lassen. Die Resultate waren gut und an diesem regnerischen Tag, sagte auch die letzte Fachärztin, alles sei in Ordnung mit Theodor. In der Zwischenzeit, denn auf Arzttermine wartet man in der Regel eine Weile, hatten auch seine Kopfschmerzen nachgelassen und so hatten auch Vater und Sohn eine gute Laune als sie auf dem nassen Fußweg Hand in Hand miteinander liefen. Sie beschlossen den Tag gemeinsam zu verbringen, denn nach 09.30 Uhr durfte Theodor nicht mehr in den Kindergarten kommen. Der Vater konnte zum Glück seine beruflichen Termine verschieben und machte sich nach der Änderung seines Tagesablauf mit seinem Sohn in Richtung Kinderbaustelle im Stadtpalais.
Theodors Vater wurde in Serbien geboren, seine Mutter in Russland, beide lebten in Stuttgart, der Vater war Philosoph, die Mutter klassische Musikerin. Sie erzogen Theodor und seine drei Geschwister, denn sie hatten vier Kinder, mit viel Liebe und widmeten Ihnen den größten Teil ihrer Lebenszeit. Plötzlich blieb Theodor auf dem mit vielen Wasserpfützen bedeckten Weg stehen, ließ die Hand seines Vaters los und bückte sich auf den nassen Boden. Er hob einen großen Regenwurm auf, der auf der Mitte des Weges lag, und brachte ihn zum Gebüsch am Rande des Weges. Als er das getan hat, rannte er zu seinem Vater und nahm ihn wieder in die Hand. Vater: "Was hast du denn da gerade gemacht?" fragte sein Vater sanft und verwundert, denn seine Augen wurden schon langsam schlecht und er konnte nicht genau sehen, was Theodor da auf dem Boden aufhob.
Theodor: "Ich habe, ich habe..." sprach Theodor mit leichtem Stottern vor Aufregung auf serbisch, denn er sprach mit seinem Vater nur auf serbisch. Vater und Mutter beschlossen mit den Kindern nur die Muttersprachen zu sprechen, denn Sprachen vermitteln die Gesamtheit einer Kultur und Kulturen sind der größte Schatz, den wir Menschen bisher auf diesem Planeten geschafft haben zu produzieren.
Vater: "Ganz ruhig, mein Sohn" sagte ihm der Vater und bückte sich um es Theodor leichter zu machen mit ihm zu sprechen.
Theodor: "Ich habe einen Regenwurm von der Mitte des Weges aufgehoben und ihn in das Gebüsch gebracht."
Vater: "Und warum hast Du denn das getan?"
Theodor: "Ich habe es getan, weil der Regenwurm es ansonsten nicht geschafft hätte zum Rand zu kommen und gestorben wäre."
Vater: "Bist Du Dir da ganz sicher?"
Theodor: "Ja, er war schwach, ich habe es gesehen, so habe ich ihm geholfen." Theodors Vater dachte nach. So viele Menschen gibt es auf unserem Planeten, die anderen Menschen nicht nur nicht helfen wollen, sondern sie zu fangen, zu manipulieren, auszubeuten, ja auch zu ermorden suchen und dennoch existiert auch Liebe in uns Menschen, eine Liebe, die, mindestens wenn wir Kinder sind, so groß ist, dass wir auch Regenwürmern helfen. Er überlegte ob er Theodor beibringen soll, dass Regenwürmer deshalb Regenwürmer heißen, weil sie beim Regen aus ihren Löchern rauskommen, aber erinnerte sich dann, dass Theodor dies sicherlich schon weiß. Er überlegte auch, wie dieser Instinkt, dem Regenwurm zu helfen und ihn zu retten, bei Theodor entstanden ist. Er erinnerte sich, dass sie im Garten immer wieder arbeiten und mit großer Vorsicht Regenwürmer in den Kompost bringen, denn sie sind wertvoll und verarbeiten den Kompost. Dies wird vielleicht ein wenig auch damit zu tun haben, dass Theodor ein großes Interesse an Tieren, Insekten und allen Lebewesen hat und bereits viele Male in Zoos war, in Naturkundemuseen sowie bereits alle Folgen von "Anna und die wilden Tiere", einer wunderbaren Kindersendung, die er manchmal schauen darf, angeschaut und eingeatmet hat. Er wusste bereits sehr viel über Tiere, in nicht wenigen Instanzen auch mehr als sein Vater - z. B. das Affen im Dschungel oft Eier von Krokodilen stehlen und essen. In jedem Fall beschloss sein Vater, dass dies etwas schönes war, was Theodor gerade getan hat, etwas dass Hoffnung gibt in unserer Welt. Vielleicht sind es Akte wie diese, die vielen Menschen aus vergangenen Generationen bisher Hoffnung gegeben haben und sie inspirierten an die nächsten Generationen zu glauben. Immer wenn Menschen untereinander gewalttätig werden und sich gegenüber der Natur unnötig zerstörerisch verhalten, verändert sich unsere Welt, aber sie verändert sich auch wenn wir gute Taten und Liebesakte in ihr umsetzen. Wir haben aber kollektiv noch nicht gelernt, dass wir alle eine Menschheit bilden und alleine im Universum auf diesem, unserem Planeten sind. Das fehlt uns, daran wollen wir arbeiten. Das zerstörerische in uns erkennen und kolonisieren, können wir dann im nächsten Schritt. Wenn wir jetzt andere Planeten kolonisieren, dann exportieren wir auf diese auch unsere Bosheit und das wird nicht helfen, dann gibt es Kriege auf verschiedenen Planeten und vielleicht auch zwischen diesen, und dies obwohl die Entfernung riesig ist. Aber was ist schon diese Entfernung für unseren Hass und unsere Bosheit? So fasste der Vater, nach seiner kleinen Gedankenreise, einen Entschluss. Er wusste was er Theodor sagen wird.
Vater: "Na dann, mein Sohn, hast Du heute eine gute Tat vollbracht."
Theodor: "Ja? Was ist das?"
Vater: "Eine gute Tat ist, wenn Du jemandem selbstlos hilfst. Du hast Dir Zeit genommen und hat den Regenwurm selbstlos vor dem Tod gerettet. Es hätte ja auch jemand auf ihn treten können."
Theodor: "Ja, das stimmt."
Vater: "Es ist schön, wenn wir Menschen den Regenwürmern, auch den Tieren und anderen Lebewesen helfen. Wir haben diese Liebe in uns, wir können das. Wir können vor allem auch unseren Mitmenschen manchmal helfen, weißt Du Menschen brauchen oft auch Hilfe."
So endete das Gespräch vom Vater und Sohn an diesem leicht regnerischen Tag im Jahr 2025 in Stuttgart. Es war dies ein Gespräch von sehr vielen, die nie aufgeschrieben werden, außer in der Seele des neuen Menschen, der Theodor heißt und eines Tages, so Gott dieser Realität das will, auch seinen Platz unter seinen Mitmenschen auf diesem blauen Planeten einnehmen wird, der sich unaufhörlich dreht.
