8 min

Trilogie zur menschlichen Natur (Teil 2)


Die Natur des Bösen im Alltäglichen Leben


Was ist das Böse, jener Schatten, der die menschliche Seele heimsucht, nicht nur in den großen Tragödien der Geschichte, sondern in den stillen Winkeln unseres täglichen Lebens? Vom Bösen zu sprechen, ruft oft Bilder monströser Taten hervor - Kriege, Tyranneien, Grausamkeiten, die auf der großen Bühne der Welt mit Wagners Musik im Hintergrund inszeniert werden. Doch während wir die gewöhnlichen Pfade unseres Daseins beschreiten, zeigt sich das Böse nicht in donnernden Verkündigungen, sondern in kleinen, subtilen Grausamkeiten, die wir zufügen und erleiden, oft ohne innezuhalten. In diesen flüchtigen Impulsen, diesen zarten Stichen der Bosheit, erwacht das Monster in uns und webt ein Geflecht des Schadens, das sich langsam in das verwandelt, was ich „böse Gewohnheiten“ nenne. Diese Gewohnheiten, verehrter Leser, sind hartnäckig und werden schnell zur Norm in unserem Denken und Umgang mit der Welt und mit uns selbst.


Ich habe unsere Seele - den Geist und das Herz vereint - im ersten Text dieser Trilogie mit einem wilden, ungebändigten Wald verglichen. Mit der Zeit lernen wir, Gärten darin anzulegen, Tugenden zum Erblühen zu bringen, wie es der Buddha in seiner Weisheit über die Pflege des Geistes lehren könnte und viele andere neben ihm. Doch diese Arbeit ist mühsam, und selbst in unseren schönsten Gärten sprießt Unkraut zwischen den Rosen. Dieses Unkraut des Bösen erstickt die Erde selten mit dramatischer Geste; es schleicht sich leise ein, fast unbemerkt, inmitten unserer besseren Absichten, durchzieht aber die Erde unserer Gärten wie Girsch, der sich oft zu genau den gordischen Knoten verbindet und das absolute ausjäten, neben einer schmerzhaften, auch zu einer unmöglichen Arbeit macht. Stellen Sie sich einen Kollegen vor, der mit einem Lächeln ein Gerücht streut, um einen Rivalen zu schwächen, Zweifel säend, die Vertrauen und Ehrgeiz untergraben und der im Gleichen Zuge, die Freundschaft zu diesem stärkt und an seinem Fall arbeitet. Oder einen Freund, der in beiläufigem Gespräch die Leistung eines anderen herabsetzt, Neid hinter einem Scherz verbergend, wodurch Freude schwindet und Groll wächst. Der Freund mag ihm wichtig sein, aber sein inneres Monster zu befriedigen ist wichtiger und diesem wird jeder geopfert, nicht nur der beste Freund, auch einer selbst. Denken Sie an den Käufer, der einen erschöpften Verkäufer anfaucht, Frustration entladend, ohne Rücksicht auf den Menschen vor sich, und so einen einfachen Austausch in einen Moment des Schmerzes verwandelt. Oder an den Elternteil, der unter dem Deckmantel der Führung ein Kind ungünstig mit einem anderen vergleicht, Unsicherheiten säend, die Jahre und Jahrzehnte andauern können. Dies sind nicht die Sünden epischer Schurken, sondern die alltäglichen Akte gewöhnlicher Seelen, getrieben von dem Wunsch nach Status, Kontrolle oder dem flüchtigen Trost, sich überlegen zu fühlen.


Man kann nicht umhin, in der ruhigen Betrachtung zu fragen, was diese kleinen Taten über ihre Urheber aussagen. Wie zerbrechlich muss eine Seele sein, um Freude am Stolpern eines anderen zu finden, Gift zu flüstern statt Unterstützung zu bieten? Wie niederträchtig, fast tierisch, solche Grausamkeiten auszuleben, die Anmut zugunsten von Instinkten aufzugeben, die in die Wildnis gehören? Solches Verhalten erscheint unwürdig eines Wesens, das nach Menschlichkeit strebt, eher verwandt mit Kreaturen, die nach flüchtiger Dominanz streben, unfähig, die Liebe zu verdienen, die sie begehren. In diesen Momenten entfernen wir uns von unserer Berufung zur Größe und werden zu Schatten unseres möglichen Selbst.


Diese bösen Gewohnheiten entspringen nicht allein der Bosheit, sondern den unreflektierten Routinen, die wir annehmen, um die Anforderungen der Gesellschaft zu meistern. Wir lernen, uns anzupassen, unseren Wert am Beifall anderer zu messen, und opfern dabei oft unser Herz. Das höhnische Urteil, die kalte Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid eines Fremden, die stille Freude am Unglück eines anderen—dies sind die Fäden eines Stoffes, den wir kaum bemerken, der jedoch unsere Welt formt. Es sind dunkle Perlen in unseren Seelen, die Gift verbreiten, in uns und in unsere Umgebung. Das Böse ist kein äußeres Gespenst, sondern ein inneres Abdriften, eine Kapitulation vor den Kräften, die uns dazu drängen, das Selbst über den anderen zu stellen, den Schein über die Wahrheit. Es ist die Verwandlung unserer Neigung zur Grausamkeit in Gewohnheiten, die wir kaum bemerken oder mit der Zeit begierig verfolgen. Stellen Sie sich einen Nachbarn vor, der in Zeiten der Knappheit Vorräte hortet, Selbstsucht als Klugheit tarnend, während er insgeheim das Leid anderer genießt. Oder den Fahrer, der sich vordrängelt, seine Zeit über die Gemeinschaft stellend, Zwietracht säend, während er sich für schlauer hält. Diese Taten, millionenfach wiederholt, untergraben die Bande, die die Gesellschaft menschlich machen, wie Risse in einem Fundament, das niemand repariert. Und plötzlich brechen Katastrophen aus, Kriege und die inneren Monster kommen raus... Das ist die Geschichte der Menschheit... Was geschieht dann, wir fangen von vorne an.


Diese Taten böse zu nennen, heißt nicht, an der Menschheit zu verzweifeln, sondern zu einer tieferen Abrechnung einzuladen. Ich weiß nicht, wie Sie denken, aber ich möchte nicht mein Leben unter grausamen Monstern verbringen, auch möchte ich keins sein. Das Böse gedeiht, wenn wir es leugnen, unsere harten Worte als Ehrlichkeit, unsere Vernachlässigung als Notwendigkeit, unseren Ehrgeiz als Tugend verkleiden. Dies zu erkennen ist der erste Schritt, das Monster in uns zu beherrschen. Das Böse ist heimtückisch, doch nicht unbesiegbar; es besteht oft aus vielen Gewohnheiten, die man verlernen kann, aus Unkraut, das man ausreißen kann, wenn wir den Garten unserer Seele pflegen. Denken Sie an den Manager, der Berichte fälscht, Kollegen und Kunden täuschend, oder den anonymen Kommentator, der im Netz Beleidigungen verbreitet, Bosheit säend ohne Konsequenz. Beachten Sie die flüchtige Freude, die sie daraus ziehen, aber beachten sie auch die Zerbrechlichkeit und die Gespaltenheit von Egos, die zu solchen Mitteln greifen - die, weil sie so konstruktiv an manchen Stellen sind, so destruktiv an anderen sein müssen um den Ausgleich zu finden. Fast kindlich ist dabei das Vergnügen an verborgenem Schaden, wie Jugendliche, die Kreaturen quälen und es als Spiel abtun—doch es spiegelt all dies unser eigenes Monster wider. Wir sind alle Monster, vielleicht die schlimmsten, die diese Welt je sah. Man fragt sich wie öde eine Seele sein muss, die sich in bösen Gewohnheiten verfängt, bis sie der Würde beraubt ist. Solche Wesen sind weniger menschlich als tierisch, die Anmut verwerfend, die Zuneigung verdient. Wir alle sind Monster, die meisten bleiben klein—Ratten und Würmer, im Schatten huschend. Manche werden zu Hyänen oder Schlangen, und wenige, zu Löwen oder Drachen, die dann Ehrfurcht wecken in ihren Anhängern, die von solcher Größe träumen, gefangen in einem zähen, tragischen Kreislauf. Ihre bösen Gewohnheiten binden sie an ihre Idole, die ihr monströses Wesen offen zeigen, während ihre Anhänger ihre Monster verbergen, aus Furcht oder List wartend. So sind wir alle Monster, die meisten strebend nach bestialischer Pracht.


Diese Abrechnung fordert uns auf, innezuhalten und unsere Wege zu betrachten. Wen bewundern wir? Wer sind unsere Idole?Warum erniedrigen wir andere? Pflegen wir den Garten unserer Seele, oder lassen wir ihn verwildern? Fürchten wir unsere Unzulänglichkeit in einer Welt, die Perfektion verlangt? Gesellschaft und Natur drängen uns, zu wetteifern, über andere zu steigen, doch nachzugeben droht, uns teuflisch zu machen, unsere Herzen schrumpfen zu lassen, während unser Ego schwillt. Der Weg nach vorn liegt in kleinen, bewussten Entscheidungen: mit Güte zu sprechen, zuzuhören, die Menschlichkeit in jenen zu sehen, die wir sonst übersehen würden. Stellen Sie sich einen Lehrer vor, der bestimmte Schüler bevorzugt, die Klasse in eine kleine Intrige verwandelnd, oder einen Verwandten, der über geringe Kränkungen grollt, Groll wie ein kostbares Erbstück hütend. Wie unzivilisiert, wie wild, an solchem Groll festzuhalten, eine Seele offenlegend, die im Überlebenskampf gefangen ist statt durch Mitgefühl erhoben? Man fragt sich, welcher Mangel an Charakter einen in solche Tiefen treibt, sie der Empathie unwürdig machend, die sie anderen verweigern.


Wir sind aneinander gebunden, und in unserer gemeinsamen Menschlichkeit liegt das Gegenmittel zur stillen Ausbreitung des Bösen. Mitgefühl, gepaart mit einer klaren Ablehnung dieser inneren Monster, bietet Erlösung, besonders wenn wir diese Monster als unwürdig unserer Zeit ignorieren. Diese dunklen Perlen, diese bösen Gewohnheiten, sind biologisch gesehen neuronale Netzwerke—Dämonen in uns und unseren Gemeinschaften. Je mehr sie Überhand nehmen, desto mehr leiden unsere Seelen und Gesellschaften, wie Gärten, überwuchert von Unkraut mit Dornen. Man bekommt Angst vor nahezu allen Mitmenschen. Mitgefühl für unseren Nächsten zu wählen, heißt, an die Fähigkeit zu größerer Menschlichkeit zu glauben, die Güte zu fördern und die Grausamkeit zu mindern. Doch Mitgefühl allein ist schwach, denn die Monster in anderen sehen es als Schwäche und nutzen es aus. Sie speisen es auf wie einen Lutscher und wachsen dadurch, bis der mitfühlende Mensch zerstört ist. Dee Traum von der Besserung des anderen wird zum Albtraum. Der wahre Weg zur Liebe besteht in der mitfühlenden Sicherstellung, dass die Bosheit der Anderen in unseren Gärten keinen fruchtbaren Boden findet. Unsere Seelen sind verwoben; indem wir unseren Garten pflegen, inspirieren wir andere, und sie uns. Es ist eine edle Arbeit, Status und Macht zu widerstehen, Schaden im Namen des Eigeninteresses abzulehnen, über das schmutzige Vergnügen verborgener Übel hinauszuwachsen. Darin werden wir wahrhaft menschlich—nicht, indem wir unsere Fähigkeit zum Bösen leugnen, sondern indem wir sie überwinden, das Monster in uns als ein unruhiges Tier begreifen und beherrschen lernen. Wie schmerzlich ist es, eine Seele mit der Fähigkeit zur Menschlichkeit auf bloßen Instinkt reduziert zu sehen. Nun, es wird dies nicht mehr der Fall sein und zwar ab dem Moment, in dem wir zum mitfühlenden Eigenschutz in unseren Beziehungen fähig werden und zur Herrschaft über unser eigenes inneres Monster.


Lasst uns nicht die Augen vor dem Spiegel unseres täglichen Lebens verschließen. Das Böse gehört nicht nur den Tyrannen der Geschichte; es lebt in den Worten, die wir sprechen, den Schweigen, die wir wahren, den Gewohnheiten, die wir in uns und anderen zulassen. Gut zu leben heißt, diese Wahrheiten klar zu sehen, mit dem Monster in uns zu ringen, bis wir es meistern und einen Weg zu schmieden, auf dem Tugend ein leises Lied unserer gemeinsamen Menschlichkeit wird. Dies geht am besten in Beziehung mit denen, wir wir lieben, und diese erforsche ich im dritten Teil meiner Trilogie.